Ich liebe Menschen, die authentisch und klar sind. Transparent und nachvollziehbar in ihrer Kommunikation und in ihrem Handeln. Sie sind für mich greifbar und vertrauenswürdig. Das Zusammensein mit ihnen ist echt, leicht und bereichernd. Sie sagen nicht „ja“, wenn sie „nein“ meinen. Sie setzen klare, nachvollziehbare Grenzen. Ich nehme sie deswegen als selbstbewusste, starke und respektvolle Persönlichkeiten sich selbst und anderen gegenüber wahr. Man muss nie Bedenken haben, dass sie etwas tun oder sagen, was sie eigentlich gar nicht wollen oder meinen. Das macht sie für mich sehr vertrauenswürdig, da ich mir immer sicher sein kann, dass sie ehrlich sind. Das ist sehr entspannend und unkompliziert.
Authentische Menschen sprechen ganz klar und zu jeder Zeit ihre Wahrheit. Sie sind ehrlich sich selbst und anderen gegenüber, äußern klar ihre Bedürfnisse und Befindlichkeiten. Sie sind dabei stets respektvoll und wohlwollend im Umgang mit ihren Mitmenschen.
Irgendwann habe ich beschlossen, dass ich auch einer dieser Menschen sein möchte und ich versuche daher, so oft wie möglich authentisch zu sein. Das habe ich Jahrzehnte lang nicht getan, ohne, dass es mir wirklich bewusst war. Es war normal für mich, meine Bedürfnisse runterzuschlucken und mich möglichst nach den anderen zu richten. Das hat mich sehr krank gemacht. Aber das Gute ist: Nein sagen kann man trainieren und irgendwann kommt es automatisch. Nicht alle Menschen in meinem Umfeld konnten und können damit umgehen, dass ich immer authentischer werde.
Der Preis, sich selbst zu finden, bedeutet manchmal, andere zu verlieren.
Das kann schmerzhaft sein, ist aber der einzig richtige Weg. Je authentischer du bist, desto mehr Frieden bringst du in dein eigenes Leben und in das deiner Mitmenschen. Weil sie bei dir wissen, woran sie sind.
Hier zeige ich dir anhand beispielhafter Dialoge ein paar konkrete Möglichkeiten, wie man authentische in bestimmten Situationen Nein sagen kann:
„Kannst du mich vom Flughafen abholen?“ – „Nein, diesemal leider nicht, das wird mir zu viel. Ein anderes Mal gerne wieder.“
„Wie findest du mein Kleid?“ – „Ich glaube, ein anderer Schnitt würde Dir besser stehen. Dieses hier lässt dich nicht so jung aussehen, wie du bist.“
„Wir wollen für Annas Geburtstag zusammenlegen und ihr ein gemeinsames Geschenk machen, bist du dabei?“ – „Nein, ich möchte Anna gerne etwas eigenes schenken. Aber danke, dass du an mich gedacht hast.“
„Kommst du mit mir im Kino diesen Film anschauen?“- „Tut mir Leid, das ist wirklich nicht mein Genre, da würde ich mich total langweilen. Vielleicht findest du jemand anderen. Aber wir können gerne danach was zusammen trinken gehen.“
„Am Sonntag ist ein Abendessen mit der Familie. Du kommst auch, stimmt’s?“- „Ich brauche gerade etwas Zeit für mich und das würde mir zu viel werden. Gerne ein anderes Mal wieder. Aber vielen Dank für die Einladung.“
„Könntest Du am Mittwoch meine Schicht übernehmen?“ „Sorry, das geht leider nicht. Ich habe viel zu tun gerade und brauche meinen freien Tag für mich. Gerne wieder ein anderes Mal.“
„Du sorry, muss Dir heute leider wieder absagen, mir ist spontan nochmal was dazwischengekommen, ich hoffe du bist nicht böse!“ – “ Wie schade, ich hab mich sehr auf dich gefreut und unser Treffen war fest eingeplant. Ich habe dafür einer anderen Freundin abgesagt. Das ist jetzt echt blöd für mich. Bitte mache in Zukunft nichts mehr fest aus, wenn du dir nicht sicher bist oder organisiere deine Termine besser. Ich respektiere deine sowie meine Zeit sehr und ich fühle mich nicht wertgeschätzt, wenn du so oft hintereinander unsere Treffen absagst.“
Nein sagen kann man auch auf andere Art und Weise:
Wenn Dein Handy klingelt und es ruft dich jemand an, für den du im Moment gerade eigentlich keinen Kopf hast, gehst du dann trotzdem dran? Wenn ja – findest du das fair dem Anrufer gegenüber? In dem Moment, in dem du abnimmst, signalisierst du indirekt „ich habe gerade Zeit und Lust, mir dein Anliegen anzuhören“. Das wäre eine glatte Lüge. Geh nicht ans Telefon nur aus einem Pflichtgefühl heraus. Da würdest du nämlich gleich zwei Menschen nicht gerecht werden: dem Anrufer und dir selbst. Rufe zurück, wenn du wirklich die Muße dazu hast, oder schreibe eine kurze Nachricht, dass es gerade nicht passt.
Tue nichts,nur weil du denkst, dass andere es von dir erwarten!
Ausnahme ist natürlich, wenn es wichtige Dinge zu besprechen gibt oder es aus sonstigen Gründen gerade erforderlich ist, dich mit jemandem telefonisch auseinanderzusetzen.
Eine andere Situation, die mir auch ständig passiert, ist, dass es an der Tür klingelt und ich irgendein Paket für einen Nachbarn annehmen soll. Ich wohne in einem Mehrfamilienhaus mit zehn Parteien. Früher habe ich das immer ohne zu zögern gemacht, weil ich mich dazu irgendwie verpflichtet gefühlt habe. Es hat sich für mich aber immer wie ein Klotz am Bein angefühlt weil ich unterschwellig immer darauf gewartet habe, dass es jeden Moment wieder klingeln könnte und mein Nachbar sein Paket abholen will. Ich konnte mich also gar nicht mehr richtig entspannen, weil ich ständig auf das Klingeln gewartet habe. Vielleicht hätte ich aber einfach lieber in Ruhe mein Essen gegessen, ein Buch gelesen oder meinen Gedanken nachgehangen, ohne im Hinterkopf zu haben, dass ich sehr wahrscheinlich meine Tätigkeit gleich unterbrechen muss. Oder andersherum, der Nachbar holt es tagelang nicht ab und das Paket steht in meinem Flur rum, obwohl ich es eigentlich gerne ordentlich mag und Dinge nicht einfach so rumstehen lasse. Wie man es also dreht und wendet: das Paket eines Nachbarn in meiner Wohnung hat mich eigentlich immer kolossal genervt.
Irgendwann ist es mir mal wie Schuppen von den Augen gefallen: ich könnte auch einfach Nein sagen. Was für ein Plot Twist!
Wenn heute der Postbote klingelt und mich fragt, ob ich ein Paket für einen Nachbarn annehmen kann sage ich, dass ich es leider nicht annehmen kann. Und ich fühle mich so befreit dabei. Ich verüble es übrigens auch keinem Nachbarn, wenn er mit meinen Paketen dasselbe tut, ganz im Gegenteil.
Wenn dich ein Mann auf der Straße dumm anmacht oder dich sogar unsittlich berührt, schau nicht weg und vorallem, mach deinen Mund auf! Niemand hat das Recht, sich dir gegenüber unsittlich zu verhalten, geschweigedenn dich anzutatschen! Sag ihm deine Meinung und zwar deutlich! Bring dich nicht in eine gefährliche Situation, aber lass das nicht einfach so durchgehen! Oft habe ich erlebt, wie sexistisches Verhalten am hellichten Tage seitens der Männer vorallem von jüngeren Frauen einfach kommentarlos hingenommen wird. Sowas macht mich fassungslos. Mir hat mal ein Typ auf einem Stadtfest mitten im Getummel an den Arsch gegrapscht, weil er sich zwischen seinen Kumpels und den vielen Menschen sicher gefühlt hat. Nur hat er nicht damit gerechnet, dass ich mir das nicht gefallen lasse. Als ich mit ihm fertig war, war ich mir ziemlich sicher, dass er sich so eine Blöße nie wieder geben wird.
Wenn du in kleinen Dingen nicht Nein sagen oder deine Wahrheit sprechen kannst, kannst du es auch in großen Dingen nicht.
Du hast Angst, andere Menschen damit zu verletzen?
Dahinter steckt die eigentliche Angst davor, dass die anderen dich ablehnen, wenn du deine Wahrheit sprichst.
Das kann ich gut verstehen. Aber: Menschen, die dich wirklich lieben, und nicht die Vorstellung, die sie von dir haben, respektieren deine Grenzen.
Du kannst niemanden mit deiner ureigenen Authentizität verletzen, beleidigen oder enttäsuchen.
Genauso wie ein Baum, der im Wald steht, niemanden verletzen, beleidigen oder enttäuschen kann, wenn er einfach ist, wie er ist.
Die Menschen verletzen, beleidigen oder enttäuschen sich selbst durch ihre Vorstellungen, Erwartungen und Interpretationen, die sie über dich haben. Das ist ihre Baustelle. Nicht deine.
Das heißt nicht, dass du niemandem mehr einen Gefallen tun kannst oder jemandem entgegen kommen kannst. Solange du etwas tust, ohne dich selbst dabei zu verausgaben oder unwohl zu fühlen, ist alles in Ordnung. Aber unterscheide zwischen Hilfsbereitschaft und Selbstaufgabe.
Du musst nicht Everybody’s Darling sein.
Sag nicht ja, wenn du nein sagen willst. Sag nicht „macht doch nix“, wenn es dir was macht. Lass den Cappuccino im Restaurant zurückgehen, wenn er nicht schmeckt. Verlasse die Kinovorstellung, wenn dich der Film langweilt. Steh für dich ein, wenn sich jemand vordrängelt. Sag es, wenn sich jemand daneben benimmt. Sag deine Meinung, wenn dich jemand danach fragt, wohlwollend, aber ehrlich.
Hör auf, dich selbst zu verleugnen, um anderen zu gefallen.
Die, die mit deiner Wahrheit nicht leben können, sind nicht deine Menschen. Und die, die deine Menschen sind, werden dich dafür schätzen. Du kannst nichts verlieren, wenn du du bist. Es macht am Anfang Angst, aber es ist unheimlich befreiend. Ich habe viele Menschen verloren, als ich aufgehört habe, alles runterzuschlucken und meine Wahrheit zu sprechen, in allen Bereichen. Aber eins habe ich gewonnen: Frieden.